Nach der traditionellen Theorie der Nerven vernichten zwei Nervenimpulse, die von den gegenüberliegenden Enden eines Nervs gesendet werden, wenn sie kollidieren. Neue Forschungen des Niels Bohr Instituts zeigen nun, dass zwei kollidierende Nervenimpulse einfach durchlaufen und unbeeinflusst bleiben. Dies unterstützt die Theorie, dass Nerven als Schallimpulse funktionieren. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Physical Review X veröffentlicht.

Nervensignale steuern die Kommunikation zwischen den Milliarden von Zellen in einem Organismus und ermöglichen es ihnen, in neuronalen Netzwerken zusammenzuarbeiten. Aber wie funktionieren Nervensignale?

Altes Modell

1952 führten Hodgkin und Huxley ein Modell ein, in dem Nervensignale als elektrischer Strom entlang des durch den Ionenfluss erzeugten Nervs beschrieben wurden. Der Mechanismus wird durch Schichten von elektrisch geladenen Teilchen (Natrium- und Kaliumionen) auf beiden Seiten der Nervenmembran erzeugt, die bei Stimulation die Stellen wechseln. Diese Ladungsänderung erzeugt einen elektrischen Strom.

Dieses Modell hat sich allgemein durchgesetzt. Seit mehr als 60 Jahren sagen alle medizinischen und biologischen Lehrbücher, dass die Nervenfunktion auf einen elektrischen Strom entlang des Nervenwegs zurückzuführen ist. Dieses Modell kann jedoch nicht eine Reihe von Phänomenen erklären, die über die Nervenfunktion bekannt sind.

Neues Modell

Nervensignale können völlig ungehindert durchlaufen werden. Dies bestätigt die Theorie, dass das Signal aus Wellen in Form eines Schallimpulses, eines Solitons, besteht, das sich entlang der Nervenmembran bewegt. Während sich der Schallimpuls entlang des Nervenwegs bewegt, ändert sich die Membran lokal von flüssig (grün) zu fester (rot) Form. Die Membran wird leicht komprimiert, und durch den piezoelektrischen Effekt wird ein Spannungsimpuls erzeugt. Kredit: Marie Dyekjær Eriksen, NVB

Forscher des Niels Bohr Instituts an der Universität Kopenhagen haben Experimente durchgeführt, die Zweifel an diesem etablierten Modell der elektrischen Impulse entlang des Nervenwegs aufkommen lassen. Sie kommen zu dem Schluss: Nervenimpulse können kollidieren und unbeeinflusst bleiben.

Alfredo Gonzales-Perez, Postdoc in der Gruppe Membranbiophysik, formuliert es so:

„Nach der Theorie dieses Ionenmechanismus hinterlässt das elektrische Signal eine inaktive Region, und der Nerv kann neue Signale erst nach einer kurzen Erholungszeit der Inaktivität unterstützen. Deshalb sollten zwei elektrische Impulse, die von gegenüberliegenden Enden des Nervs gesendet werden, nach einer Kollision gestoppt werden und in diese inaktiven Regionen laufen“, erklärt Thomas Heimburg, Professor und Leiter der Gruppe Membranbiophysik am Niels Bohr Institute an der Universität Kopenhagen.

Thomas Heimburg und seine Forschungsgruppe führten im Labor Experimente mit Nerven von Regenwürmern und Hummern durch. Die Nerven wurden entfernt und in einem Experiment verwendet, bei dem die Forscher die Nervenfasern mit Elektroden an beiden Enden stimulieren konnten. Dann haben sie die Signale auf der Strecke gemessen.

„Unsere Studie zeigte, dass die Signale völlig ungehindert und unverfälscht durchlaufen wurden. So funktionieren Schallwellen. Eine Schallwelle hört nicht auf, wenn sie auf eine andere Schallwelle trifft. Beide Wellen laufen ungehindert weiter. Der Nervenimpuls lässt sich also damit erklären, dass der Impuls eine mechanische Welle in Form eines Schallimpulses ist, ein Soliton, das sich entlang der Nervenmembran bewegt“, erklärt Thomas Heimburg.

Die Theorie wird bestätigt

Wenn sich der Schallimpuls durch den Nervenweg bewegt, ändert sich die Membran lokal von einer flüssigen in eine festere Form. Die Membran wird leicht komprimiert, und diese Änderung führt zu einem elektrischen Impuls als Folge des piezoelektrischen Effekts. „Das elektrische Signal basiert also nicht auf einem elektrischen Strom, sondern wird durch eine mechanische Kraft verursacht“, betont Thomas Heimburg.

Thomas Heimburg schlug zusammen mit Professor Andrew Jackson 2005 erstmals die Theorie vor, dass Nerven durch Schallimpulse funktionieren. Ihre Forschung hat diese Theorie inzwischen unterstützt, und die neuen Experimente bieten eine zusätzliche Bestätigung für die Theorie, dass Nervensignale Schallimpulse sind.

Mehr dazu unter: https://phys.org/news/2014-09-nerve-impulses-collide-unaffected.html#jCp